Die Ankündigungen der DOW Chemical auf Prüfung von Stilllegung oder Schließung von Anlagen in Böhlen und Schkopau sind offenbar der letzte Warnschuss der Grundstoffindustrie aus der mitteldeutschen Region auf wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Ein Rückzug der Chemieindustrie hätte schwerwiegende Folgen für die Wirtschaftskraft und die Innovationskraft Mitteldeutschlands.
Ich mahne dringend die Ursachen der Ankündigungen der DOW Chemical ernst zu nehmen und für ein wettbewerbsfähiges Umfeld in Deutschland zu sorgen. Dabei sind es im Kern die Energie- und Stromkosten welche jetzt DOW zu solchen Prüfungen auf Anlagenstilllegungen und Rückbau zwingen. Produkte müssen vor allem mit ihren Preisen den Wettbewerb gewinnen. Daher müssen auch die Rahmenbedingungen als Grundvoraussetzung für diesen Wettbewerb der Unternehmen stimmen. Aktuell gelingt es in Deutschland jedoch nicht die Grundstoffindustrie mit dieser lebenswichtigen Voraussetzungen zu binden. Dies ist jedoch für den Wohlstand und die sozialen Standards unabdingbar. Die Industrie erbringt 30 v.H. der Wirtschaftsleistung in unserem Land und ist damit der Motor, welcher Deutschland am Laufen hält, Innovationen hervorbringt und soziale Sicherheit wie Investitionen in nachhaltige Wirtschaftskreisläufe erst möglich machen. Dieser Bedeutung müssen sich alle wieder bewusst werden!
Daher richte ich meine dringende Forderung an die neue Bundesregierung die geplanten wirtschaftspolitischen Vorhaben für eine Senkung der Energie- und Strompreise unverzüglich umzusetzen. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, die Stromsteuer um 5 Cent/kWh zu senken und die Umlagen und Netzentgelte zu reduzieren. Darüber hinaus ist für energieintensive Unternehmen der Industriestrompreis einzuführen. Weiterhin hat sich die neue Bundesregierung darauf verständigt, unverzüglich ein Gesetz zur Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlenstoffdioxid für die Industrie auf den Weg zu bringen. Die angekündigte "Chemie Agenda 2045" muss schnell starten und für die Chemieindustrie schon heute eine Perspektive bieten! Die Anreize zu investieren werden durch die rückwirkende Sonderabschreibung von 30 v.H. in diesem Jahr und den Jahren 2026 und 2027 mit der ab 2028 greifenden Absenkung der Körperschaftssteuer deutlich zugunsten des Standortes Deutschland gesetzt!
Ich erwarte aber auch von der DOW Chemical in ihre Standortprüfungen diese entlastenden Maßnahmen bei den Strom- und Energiekosten zu bewerten und einzukalkulieren. Auch die Möglichkeiten zur Abspaltung von Kohlenstoffdioxid, welche für den Betrieb des Crackers in Böhlen wichtig sind, müssen neu bewertet werden.
Mit diesem Maßnahmenpaket hat die neue Bundesregierung verstanden, dass die Lage der Industrie ernst ist und Antworten aufgezeigt. Darüber hinaus bitte ich DOW auch die regionalen Standortbedingungen in Mitteldeutschland zu bewerten, welche für einen Verbleib der Chemieindustrie sprechen. So sind die regionale Infrastruktur aus Straßen, Pipelines und einer stabilen Brauchwasserversorgung, die rechtlich sicheren und gesellschaftlich akzeptierten Industriegebiete in Böhlen-Lippendorf und Schkopau, die verlässlich agierende Industriegewerkschaft IGBCE und motivierte Beschäftigte, sowie das sich Aufbau befindliche Forschungsinstitut Center for the Transformation Chemistry sehr gute, zukunftsfeste und verlässliche Rahmenbedingungen, welche sich nicht überall auf der Welt finden.
Die Region Leipzig steht an der Seite der DOW Chemical um sich für eine wirtschaftliche Entwicklung in Mitteldeutschland zu engagieren!
Henry Graichen
Landrat Landkreis Leipzig